Kassiererinnen aller Länder vereinigt euch
Ein Gespenst geht um in Karl-Marx-Stadt – das Gespenst der Insolvenz. Lange Zeit ein Fremdwort in unseren industriellen Breitengraden, greift es nun um sich. Zu Beginn traf es nur kleine Unternehmer, Handwerker und Produktionsmittelchenbesitzer. Doch vor wenigen Wochen schlug der Kapitalismus mit voller Wucht um sich und riss einen Giganten der Grundversorgung in die Tiefe. Schlecker, der nette Drogerist von nebenan, ist nicht mehr in der Lage seine Proletarierinnen an der Kasse für ihre Arbeit zu bezahlen. Tausende Mütter im ganzen Land verlieren ihren Arbeitsplatz und damit ihre Einkommen. Von nun an sind Aberhunderte Familien auf das Arbeitslosengeld des Vaters angewiesen.
Doch in den Gängen von Schlecker regt sich Widerstand. Die gedemütigten Kassiererinnen proben den Aufstand und greifen in ihrer Verzweiflung zu den Etikettiermaschinen. Zu lang haben sie sich Schlecker unterworfen, dem alten Monopolist. Hinter der immer freundlichen Fassade verbarg sich ein Ausbeuter aller erster Güte! Die Wut über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und nun auch noch über den Verlust des Proletenstatus bricht aus den Schlecker Frauen heraus. Nie mehr soll Schlecker über Frauen herrschen dürfen! Die Kassenbänder sollen endlich in die Kontrolle der Gemeinschaft gelangen! Der Pausenraum soll endlich seines Namens würdig sein!
Seit einigen Tagen ziehen nun wütende Kassiererinnen durch die Stadt. Sie lassen ihrer Wut freien Lauf. Umgeworfene Regale im Konsum um die Ecke, falsch ausgepreiste Ware an Ständen auf dem Markt. Den Höhepunkt bilden umgeworfene Einkaufswägen – dem Symbol kapitalistischen Einkaufswahns. Verrostend sollen sie ein Mahnmal des Aufstandes ausgebeuteter Kassiererinnen werden und dem alten Schlecker einen Warnung sein. Eine Warnung für die Zukunft!
Falk Sieghard
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